Wir haben keinen geringeren als Urgestein Dr. Motte alles zur in 2022 anstehenden Rave the Planet Parade und noch vieles mehr gefragt.
Zu Dr. Motte müssen wir eigentlich nicht mehr viel erklären, er ist einer der Begründer der elektronischen Musikszene, Mitbegründer der Love Parade und Labelbetreiber und vieles mehr.
Los geht es mit dem Interview!
Wann habt ihr die Rave the Planet gGmbH gegründet und was sind eure Beweggründe dahinter?
Dr. Motte:
Uns gibt es offiziell seit Juli 2019. Doch zusammengefunden haben wir eigentlich schon Mitte 2018, kurz nach der Eröffnung der Ausstellung nineties berlin, für die wir die Sonderausstellung „30 Jahre Loveparade“ gemacht haben. Dabei haben wir festgestellt, dass wir alle die gleiche Leidenschaft für Technokultur haben und irgendwie kam dann die Idee Rave The Planet zu gründen auf.
Ich hatte eh schon die ganze Zeit den Wunsch mit mir herum getragen, den guten Techno-Spirit wieder mit einer Parade sichtbar zu machen. Dazu kam, dass ich überall ständig gefragt wurde, sogar in Australien und Mexico, wann ich denn endlich wieder die Loveparade in Berlin mache. Im Januar 2020 haben wir dann die Katze aus dem Sack gelassen und Rave The Planet gelauncht – als gemeinnütziges Unternehmen, um von vorn herein viele Schwierigkeiten, die wir früher bei der Loveparade hatten, auszuschließen.
Wie weit seit ihr in eurem Vorhaben Techno als immaterielles Kulturerbe anerkennen zu lassen? Könnt ihr uns genaueres über dieses Vorhaben erzählen?
Dr. Motte:
Wir haben ein wissenschaftliches Team zusammen gestellt, das das letzte Jahr erstmal unheimlich viel recherchiert und Infos zusammengetragen hat. Was die UNESCO wissen will ist umfangreich und muss gut dokumentiert sein. Das war der Großteil unserer Arbeit bis jetzt. Nun geht es in die nächste Phase, in der das alles ausgewertet und in Form gebracht wird. Dazu führen wir demnächst noch Interviews mit ganz vielen Menschen, aus allen möglichen Bereichen der Kultur. Es wird auch eine große Aktion geben, bei der wir die Öffentlichkeit mit einbeziehen. Ende des Jahres reichen wir dann den Antrag bei der UNESCO ein.
Welche Ziele hat Rave The Planet noch?
Dr. Motte:
Das ist schon ganz schön viel, was wir bereits tun. Besonders die Arbeit am Kulturerbe, auch wenn man davon bis jetzt nicht viel sieht. Generell geht es uns bei Rave The Planet um die Sichtbarkeit und Akzeptanz von Techno als Kultur. Dazu gehört auch die Rave The Planet Parade, die wir 2022 durchführen möchten, aber auch unsere Livestreams, die wir seit dem 14. März 2020 machen und unsere Musikveröffentlichungen, die „Rave The Planet – Supporter Series“ bei Riot Recordings, für die wir u. a. Stücke von DJ Rush, Nakadia, Westbam uvm. gespendet bekommen haben. Alle Erlöse aus den Verkäufen landen direkt im Spendentopf, für unsere gemeinnützigen Projekte.
Erzähle uns doch bitte mehr über die Rave The Planet Parade?
Dr. Motte:
Unsere Idee ist, an die Loveparade anzuknüpfen, mit dem Spirit von damals und gleichzeitig eine Parade für’s 21. Jahrhundert erschaffen. Wir wollen die Gegenwartskultur der elektronischen Tanzmusik zeigen. Mit Trucks (wir haben schon über 300 Anmeldungen!) und den besten DJs, Clubs, Labels, Styles etc. Wir haben uns über vieles Gedanken gemacht, z.B. auch das, was früher nicht so toll war, wie das Müllproblem und die CO2-Belastung. Es gibt viele gute Ideen dazu. Einige sind schon ins Konzept eingearbeitet, andere liegen noch in der Schublade.
Ein Problem der späteren Paraden war der „Kommerz“. Damit meine ich, dass der Inhalt, also die Musik und die Kultur von einigen Marken nur noch als Mittel zum Zweck genutzt wurden, um das eigene Image aufzupolieren. Sowas schimpft sich heute glaub ich „Disco Washing“… Deshalb haben wir eine Spendenaktion ins Leben gerufen, mit der wir die Parade finanzieren wollen. Im Englischen heißt sowas Fundraising und weil wir alle Raver sind, haben wir daraus das „FundRAVING“ gemacht. Wer spenden möchte, alle Infos dazu gibt es hier: https://www.ravetheplanet.com/startseite/spenden/
Die grobe Planung für die Parade ist schon abgeschlossen, angemeldet ist sie auch. Die Details arbeiten wir aber erst aus, wenn sich die Corona-Situation entspannt hat und wir eine Perspektive haben, wann Großveranstaltungen in Berlin wieder möglich sind.
Soll es eine Rückkehr der Love Parade als Feierveranstaltung sein oder auch eine Demo?
Dr. Motte:
Wie eben schon erwähnt, werden wir eine Kulturdemonstration a.k.a. Parade machen, denn die Parade ist unsere über 30 Jahre alte Tradition. Die Demonstration haben wir für den 9. Juli 2022 angemeldet und auch schon Termine in den Folgejahren. Wir sind Teil einer jungen Tanzmusikkultur. Eine Versammlung muss in einer Demokratie sehr wohl auch non-verbal möglich sein. Dafür hat die Fuckparade lange vor Gericht gestritten und in dem berühmten Gerichtsurteil zum Eilverfahren von 2001, über den Status der Loveparade, steht das genau so geschrieben.
Ihr fordert mehr Rechte und mehr Schutz für Clubs und Festivals? Wie genau soll das aussehen?
Dr. Motte:
Unsere Festivals und Clubs kuratieren hochwertige Musikprogramme, genau wie etablierte Kulturstätten, z.B. Konzerthäuser. Die Gäste kommen meist gezielt wegen dieses Programms. Ein Punkt von vielen, weshalb sie weit mehr als nur Vergnügungsstätten sind. Trotzdem werden sie z.B. im Baurecht als solche eingestuft und mit Bordelle und Spielhöllen auf eine Stufe gestellt. Mit ihrer Pionierarbeit, besonders in der elektronischen Musik, haben Clubs in Berlin der Stadt zu ihrem kreativen und weltoffenen Image verholfen. Die Clubkultur hat viele Orte erst attraktiv und berühmt gemacht. Irgendwann setzt dann aber die Gentrifizierung ein und die Clubs werden verdrängt. Das ist kein Berliner Problem, sondern findet überall in Deutschland statt! Unterstützung kommt selten und viel zu wenig. Clubs brauchen aber Perspektiven, weil sie lange Vorläufe haben und für die Gesellschaft unersetzlich sind. Gerade in der Coronakrise zeigt sich, wie dringend Clubs gebraucht werden. In ihnen begegnen sich Menschen, die im normalen Leben nie zueinander gefunden hätten. Dadurch entsteht Verständnis und dadurch kann das Trennende überwunden werden. Mit Rave The Planet wollen wir unsere Kultur für alle erlebbar machen, damit auch Menschen, die nicht aus dem Clubumfeld kommen ein Bewusstsein dafür entwickeln.
Dr Motte sagte „Machen wir´s nochmal und dieses mal richtig.“ Habt ihr bereits die Genehmigung der Stadt Berlin? Mit wie vielen Teilnehmern rechnet ihr?
Dr. Motte:
Wir haben die Demonstrationen für ’22, ’23 etc. angemeldet. Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht. Es geht also nicht darum ob es genehmigt wird, sondern wie die Auflagen sind, der Streckenverlauf, Sicherheits- und neuerdings Hygienekonzept etc. Da wir momentan ja nicht einmal wissen, wie die Voraussetzungen in den nächsten paar Wochen und Monaten sind, können wir natürlich nicht sagen, was im Sommer 2022 sein wird. Darum bereiten wir vor was geht und können dann nur abwarten. An erster Stelle steht, genau wie bei den Berliner Loveparades, immer die Sicherheit der Teilnehmer.
Derzeit sind wir ja alle noch im Corona-Wahnsinn, ihr habt die Parade deswegen auf 2022 verschoben! Habt ihr als „alte Love-Parade-Hasen“ ein paar Tipps für die Besucher in 2022.
Dr. Motte:
Auch hier könnte ich nur orakeln, da keiner die Zukunft kennt. Deshalb halten wir uns derzeit zurück und werden zu gegebener Zeit gern darauf eingehen. Was aber immer selbstverständlich sein sollte sind Peace, Love Unity & Respect.
Fundraving? Für 5 Euro erstellt ihr eine kleine Figur und stellt sie auf das Modell der Parade? Wo steht das Modell derzeit? Kann ich es auch selber in das Modell kleben? Dann würden wir auch sicher mal vorbei kommen?
Dr. Motte:
Für Leute, die über unseren Spendenshop eine Figur beisteuern möchten, kleben wir die weiterhin auf. Wer uns demnächst an unserem neuen Standort in Berlin besuchen kommt, darf das gerne auch selbst machen. Sobald der Lockdown beendet ist und wir dort öffnen können, werden wir den bekannt geben. Die Coronamaßnahmen haben es uns sehr schwer gemacht, einen Ort zu finden, an dem wir das 50 m lange Modell komplett aufstellen können. Darum steht ein Teil noch in einem Depot, wo es vor Wind und Wetter geschützt ist. Der andere Teil wurde an einem besonderen Ort in Berlin aufgebaut, an dem sich viele verschiedene Kunst- und Kulturgenres neu zusammen gefunden haben. Clubkultur ganz selbstverständlich mittendrin – wie wir es uns wünschen.
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